Walter Bonatti – Nachruf & Erinnerung

Viele haben die Gründe und Motive ihrer Flucht in und auf die Berge ausgesprochen oder zumindest erahnen lassen. Kaum einer aber hat sie so offenherzig  mit der Welt geteilt wie Walter Bonatti. Heute vor 3 Jahren ist er gestorben.

Er war nicht nur ein wahrer Meister seines Sports, sondern auf eine Weise sogar auch Lehrmeister und Idol, Steinbruch der Weisheit und damit für mich natürlich auch ein Zitatesteinbruch. Sein Verständnis und seine Vision des Alpinismus waren inspirierend für viele, aber für viele auch Steine des Anstoßes. Er hatte angeeckt, viele Rückschläge hatte er hinnehmen müssen, wurde nach der italienischen K2-Expedition, an der er 1954 teilnahmen, mit falschen Anschuldigungen überhäuft, erst spät offiziell rehabilitiert. Letztlich kann man wohl sagen und er tut es ja selbst, dass er zwar kein leichtes, aber dennoch ein erfülltes Leben hatte. Seine Klettereien machten ihn schon in seinen Lebzeiten zu einer Art Legende. Nicht nur das, es waren ihm außerdem die seltene Fähigkeit und die Möglichkeit vergönnt – und beides benötigt man dafür – ein frühes, selbstgewähltes Ende des Alpinismus zu finden. Mit seinem berühmte Winter-Solo in der Matterhorn-Nordwand schloss er dieses Kapitel ab. Zwar brach er mit dem Alpinismus nicht gänzlich, aber zog sich selbst zumindest aus ihm zurück, sagte ihm mit 35 Jahren das Lebewohl,  das Ausdruck jener Rückschläge und jener Schelte war, Ausdruck einer Unzufriedenheit, aber auch des Gespürs dafür, dass die Zeit einfach reif war, sich vom Alpinismus – nicht von den Bergen – zu verabschieden und den Horizont zu erweitern, neue Gefilde aufzusuchen und damit auch, durch eine Ausdehnung des Interesses auf die ganze Natur, wie er sagte, die eigene Persönlichkeit zu erweitern. (1)bonatti_NDarticle  Dass ihm die Entfaltung der ganzen individuellen Persönlichkeit wichtiger war, als Ruhm, Glanz, Ansehen, Reichtum, aber auch wichtiger als die banalen Güter, Freuden und Gepflogenheiten des Alltags, die diese Entfaltung verhindern, machte einen Teil dieser Inspirationskraft aus. In seinem verschriftlichten Lebewohl, das als Kapitel am Ende seines Buches “Berge meines Lebens” erscheint, sagt er:

»Ich werde auch sagen können, dass ich in meinem Leben unablässige Auflehnung empfand gegen die beschränkten Horizonte, die Routine, die Banalität, gegen alles, was die Persönlichkeit herabsetzt.« (2)

Inspiration in Worten und Taten

Von Andrea Oggioni – in der berüchtigten Tragödie am Freney-Pfeiler ums Leben gekommener Seilgefährte Walter Bonattis – hielt letzterer einen bezeichnenden Ausspruch fest, der in einer der wohl grauenvollen, sturmumtosten Biwaknächte fiel:

»Wir Alpinisten sind wirklich arme Kerle …  bei all den schönen Dingen, die es in der Welt gibt, bringen wir uns in solche Situationen!« (3)

Bonatti selbst dürfte sich wohl Zeit seines Lebens ähnliche Gedanken gemacht haben und in der Nordwand des Matterhorns 1965 nicht zum ersten Mal gefragt haben, ob er »an diesem Punkt nicht die Grenzen der Vernunft überschritten und das Schicksal aus purem Stolz herausgefordert« habe. Er dachte aber auch an das Leben im Tal:

»Ein leichtes Leben, eine verlockende Vorstellung für jemanden, der wie ich zwischen Himmel und Erde hängt. Aber es ist auch ein banales, enttäuschendes Leben, und um ihm zu entfliehen, bin ich hier aufgestiegen.« (4)

Ein enttäuschendes Leben.

Es lässt einen nicht los, mit seinen Fängen. Es ist geradezu wie ein Gefängnis. Und wir versuchen die Flucht vor ihm, oder jedenfalls vor unseren Problemen oder dem Alltag, wie auch immer man es sehen möchte. Wir alle, jeden Tag. Nur eben in verschiedensten Formen. Die Flucht in die Berge ist nur eine Möglichkeit, eine offensichtlichere. Andere flüchten sich in alle Welt, in den Urlaub, in die Abgeschiedenheit. Wieder andere flüchten sich sinnbildlich, dabei auch – paradoxerweise – in den Alltag selbst, oder genauer, in die Arbeit, oder in Religion und Sekten, Esoterik, das Familienleben, die privatistische Vereinzelung zu zweit, in Genuss – Essen, Trinken, Drogenkonsum – oder aber die Optimierung des eigenen Körpers.

Vordenker des Alpinismus

Walter Bonatti fand seinen eigenen Weg, einen sehr ehrlichen und sehr faszinierenden, wie ich finde. Er ging ihn aufrecht und stolz, dabei zugleich umsichtig und sensibel, aber auch nicht unberührt von Fehltritten, Zweifeln und Erschütterungen. Natürlich stolperte er auch über Widersprüche, aber er brachte sie auf eine Weise zum Ausdruck, in der seine ganze Menschlichkeit und seine Persönlichkeit sprach.

Mögen seine bewegenden Taten und Gedanken, seine Visionen und seine Idee  des Alpinismus, kurz seine große Persönlichkeit noch lange Widerhall finden, in den Bergen, wie bei den Menschen, als Inspiration für das eigene Denken und Handeln.

Denn eines bleibt, zumindest im Tal: Es ist ein enttäuschendes Leben.

Hiermit ein großes Prost auf Walter Bonatti, einen der großartigsten Alpinisten, der je gelebt hat und heute 83 Jahre alt geworden wäre.

(1) Walter Bonatti, Die Berge meines Lebens. Malik, München, 2. Aufl., 2012 , S. 371

(2) ebd. S. 374

(3) ebd. S. 255

(4) ebd. S. 358

 

Action is over…

…talking is on. Genau genommen ist der Urlaub vorüber und er war, wer hätte es gedacht, natürlich wie immer zu kurz. Da in den Bergen des Pitztals aufgrund des schlechten Wetters nichts ging außer ein Besuch im Taschachhaus, hier ein paar Worte zur gelesenen Literatur.

Max Frischs “Antwort aus der Stille” entpuppte sich zwar leider nur als autobiografisch angehauchte und durch die Bergsteiger-Erfahrungen des Autors aufgepeppte Prosa in Bergumgebung, die durch eine fadenscheinige Liebesglosse teils sehr enervierend war, womöglich der Jugend (oder Frische) des Autors geschuldet. Allerdings gelang es Frisch in dieser Erzählung in sprachlich ansprechender Form, die Zerrissenheit eines jungen Menschen aufzuzeigen und seine seelischen Zustände zu beschreiben, die zum einen von brennendem, gar todesverleugnenden Ehrgeiz, zum anderen von schier unerträglicher Orientierungslosigkeit geprägt sind. Ein von Selbstzweifeln geplagter Bergsteiger, Ende zwanzig, ohne jede Ausbildung, zwei Wochen vor seiner Heirat stehend, zieht los auf seine womöglich letzte Begehung, zu einem ominösen, bisher unbestiegenen Nordgrat, ein äußerst waghalsiges und riskantes Unternehmen, trifft dabei eine Frau, sie verlieben sich, wollen zusammenbleiben, er geht trotzdem, denkt er müsse sich und der Welt etwas beweisen. Frisch schafft es zwar zu zeigen, dass es einen Widerspruch geben muss, irgendein schlechtes in der Gesellschaft, ein Riss, der durch den Einzelnen, den Helden geht und ihn in eine existenzielle Krise treibt, ja sogar zu zerreißen droht und diesen dazu bringt den Tod in den Bergen zu riskieren. Was den Widerspruch jedoch ausmacht bzw. woraus dieser hervorgeht wird weggewischt im Moment der Rückkehr des gezeichneten Helden, und damit der Läuterung, als toter Lebendiger oder lebendiger Toter, wie es Peter von Matt in seinem Nachwort formulierte. Frisch entschied in seinem eigenen Leben zugunsten der geregelten Verhältnisse als Architekt und zuungunsten der Literatur. In einer treffenden Rezension der NZZ heißt es dazu passend: »In der Berghütte von der Geliebten und von seiner Verlobten zur Ruhe gebettet, denkt Leuthold noch halb wachend daran, dass er auch als Arm- und Fussamputierter ein guter Ehemann, Lehrer und Vater sein könne, ehe er «mit neuer Sehnsucht und mit wissendem Herzen» in den Schlaf des Gerechten fällt. Es ist diese Figur, die sich der angehende Architekt Max Frisch als Menetekel an die Nordwand seiner eigenen Existenz zeichnet.«

Robert Steiners Darstellung des Extremalpinimus

Ungleich spannender, geradezu extrem fesselnd und dabei gleichzeitig von mitunter großer Tiefe war Continue reading

Das Comeback? Ueli Steck.

Vielleicht ist es übertrieben, nach so kurzer Zeit schon von einem Comeback zu sprechen. Ueli Steck hatte sich nach dem Clash mit den Sherpas am Everest eine Auszeit genommen, um in sich zu gehen. Das hat er nun offenbar getan und es ist ihm ein neuer Coup gelungen und zwar das, wofür er bekannt ist – eine Speed-Begehung. Diesmal: Der Peuterey Integral!

“Speed”. Als ich das erste Mal von der Rekordzeit der Eiger-Nordwand gehört hatte, dachte ich mir wie so viele andere auch: “Was soll das?” Bald hörte und las ich auch von dem Menschen, der den Rekord aufgestellt hatte. Ueli Steck. Ich sah mir seine Videos auf youtube an. Da rennt einer die Eiger Nordwand hoch, lässt mit Bildern, für die das Wort spektakulär fast noch eine Untertreibung ist, Werbe-Videos für einen Schweizer Messer-Hersteller drehen. Und wieder die Frage: “Was soll das?”. Ich beschäftigte mich also näher mit ihm, las sein Buch “SPEED” und was er dort von sich gibt klingt vernünftig, ja er wurde mir sogar immer sympathischer. Natürlich weiß er sich geschickt zu vermarkten. Aber er hat eben auch die richtige Einstellung. Die eines Sportlers, der ehrgeizig seine Ziele verfolgt, aber auf dem Weg hoch hinaus immer die Bodenhaftung bewahrt, so war mein Eindruck. Beispielhaft für Steck ist dieser Werbe-Film.

Peuterey-Grat

Da geht’s hinauf: der Peuterey-Grat, Mont Blanc.

Panorama-Redakteurin Christine Kopp meint über Ueli: »Er lebt nicht nur wie ein Athlet, er ordnet seinen bergsteigerischen Zielen sein Continue reading

Zum Thema: Ware…

…habe ich noch eine der letzten Ausgaben des innerhalb des Panorama erscheinenden jdav-Magazins “Knotenpunkt” gefunden, das auf das Thema eingegangen ist, wenn auch nur äußerst unbefriedigend, was aber wohl der Form des Magazins geschuldet ist. Allerdings erschien es unter einer, wie ich finde, sehr passenden Titelseite, die sich an die Werbe-Anzeigen von Globetrotter anlehnt. Allerdings sind das einzig erwähnenswerte an dieser Ausgabe leider tatsächlich die Bilder – außer dem cover gab es noch eine ziemlich beschränkte Karikatur (u.a. ein dickleibig stilisierter Firmen-Chef, wie ihn ein PDS Ortsgruppen-Pamphlet jeder x-beliebigen sächsischen Provinz nicht schlimmer hätte darstellen können). Die Knotenpunkt-Ausgabe findet man hier.

Knotenpunkt 5 / 2012

ISPO 2013

As the most important sports and outdoor-industry fair, ISPO, is currently taking place in Munich, I was wondering if it might have been a regrettable mistake to not having at least tried to visit the event. There are several reasons. Take alone the irresistible description of the event:

For over 40 years the global leader has provided a comprehensive overview of the entire range of sporting goods, athletic footwear and fashions, as well as the latest trends from these segments. Year for year the custom-tailored trade show concept with special communities and authentic side events guarantees a very unique, personalized and communication-rich atmosphere. As the only multi-segment trade show the event also offers its participants an opportunity to discover discipline-overlapping synergy and cross-selling potential, as well as recognize new segments and trends in advance. Thanks to close cooperation with the industry ISPO can identify market requirements and offers international sports business professionals the best possible presentation and networking platform at ISPO MUNICH.

The event is subtitled accordingly: “SPORTS.BUSINESS.CONNECTED” (By the way: can’t.you.marketing.experts.imagine.slogans.without.dots.?) So, being a guarantee for having some fun, ISPO would have been that event for me,  after getting jobless once again and in urgent search for means of killing time. So I not only found the idea pleasing to experience the atmosphere of this great event and maybe listen to some more or less interesting speeches, take some revealing photos that I could use here to ridicule the companies as well as their clients as well as their promoters (and by that, granting this blog photo-material for months, if not years), not to forget collecting loads of give-aways including litres of sparkling vine, of course. Continue reading

“Wir sind viele”

Der Deutsche Alpenverein hat sich mit dem neuen Jahr auch einen neuem Web-Auftritt verpasst! Und gleich auf der Startseite begegnet einem der selten dämliche Spruch:

“Wir sind Bergsportler.
Wir sind Naturschützer.
Wir sind viele.”

Fast ist man geneigt hinzuzufügen:

…. wir sind krass!

D.A.V. da geht noch was!

 

Auf dass nichts beim alten bleibe!

Happy new year!