Tod in der Warteschlange

Am Mount Everest ist wieder die Hölle los. Etwas über 300 Menschen sollen vor etwa einer Woche, am 22.5. auf dem höchsten Berg der Erde gestanden haben. Dabei war es wieder einmal – wie in den letzten Jahren aufgrund des zunehmenden Ansturms schon fast üblich geworden – zu Warteschlangen vor allem am Hillary Step, einer berüchtigen Engstelle knapp unterhalb des Gipfels gekommen. Ein Bild des Bergsteigers Nirmal Purja ist dabei in den letzten Tagen um die Welt gegangen:

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Foto: Nirmal Purja

Dabei bleiben Todesfälle nicht aus. Innerhalb von zehn Tagen sind bereits elf der Everest-Aspirant*innen zu Tode gekommen. Das ist die höchste Zahl seit den Rekordjahren 2014 und 2015, als Erdbeben eine Vielzahl verheerender Lawinen ausgelöst hatten. Die Zahl der Toten könnte für dieses Jahr noch weiter steigen, ebenso wird mit über 800 Besteigungen wohl ein neuer Höhepunkt erreicht werden.

Auch ein anderes, aktuelles Foto ist bemerkenswert. Es zeigt eine Gruppe Bergsteiger*innen an der Hillary Stufe, die an einer Leiche vorbei steigen.

Der Urheber des Fotos, Abenteuer-Filmer Elia Saikaly schrieb auf facebook:

“Death. Carnage. Chaos. Line-ups. Dead bodies on the route and in tents at camp 4. People who I tried to turn back who ended up dying. People being dragged down. Walking over bodies… Everything you read in the sensational headlines all played out on our summit night.”

Foto: Elia Saikaly

Laut einem Artikel über die verstörende Geschichte zum Foto ist bei den meisten der umgekommenen Everest-Aspiranten davon auszugehen, dass sie durch Höhenkrankheit aufgrund der langen Wartezeiten verstorben sind, da sich die Engstelle weit in der Todeszone befindet. In dieser Zone ist die Luft so dünn, dass der Organismus nicht mehr genügend Sauerstoff aufnimmt und nach einer gewissen Zeit einfach stirbt. Dazu kommen meist große Kälte, Dehydrierung und Ermüdung. Zwar sind die weitaus meisten mit Flaschen-Sauerstoff unterwegs, doch durch die Wartezeiten kommt es häufig zu einer ungenügenden bzw. unterbrochenen Versorgung.

Schon 2012 hatte ein Foto von Ralf Dujmovits Bekanntheit erlangt, das die damalige Everest-Saison auf erschreckende Weise einfing. Es zeigt eine Linie, die sich den Hang zum Everest hinauf zieht. An jenem Tag im Mai hatten ähnlich viele Leute gleichzeitig den Gipfelversuch gestartet. Wie Dujmovits in dem Interview mit Outside Online berichtet, war das der Punkt, an dem Dujmovits dem Everest den Rücken kehrte.

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Foto: Ralf Dujmovits

Dass in der Todeszone die Hirnfunktion abnimmt, macht sich auch in zunehmender Abgestumpftheit bemerkbar. So schrieb auch Saikaly:

“People are stepping over a body. You look around and see how people are dealing with that and you realize that people are not dealing with reality because they can’t. It’s just so confusing. So they just carry on. It’s when you get back down that you start asking yourself the question: Is it worth it? What is this whole industry about?

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