… und im Tal gibt’s das gute Essen, wusste bereits der alte Schiller zu sagen, oder so ähnlich zumindest. Auf jeden Fall ist keine Freiheit ohne Notwendigkeiten zu haben. Goethe war, glaube ich, in dieser Hinsicht (Einsicht) schon ein Stück weiter als Schiller. Wie dem auch sei… In der Regel gibt es jedenfalls im Tal das gute Essen und, allgemein gesprochen, die materielle Grundlage, die man im gesellschaftlichen Normalfall durch den Verkauf der eigenen Arbeitskraft zu produzieren hat, bei gleichzeitiger Entäußerung ihres Mehrprodukts an den Käufer der Arbeitskraft – und fast ist man geneigt hinzuzufügen: natürlich! Denn als natürliche Gegebenheit erscheint es einem. Das ist zwar schlimm, aber leider nicht zu ändern. Ich weiß, eigentlich sollte es anders herum sein: für Schule, Studium und Lohnarbeit, da ist in einem richtigen Leben einfach keine Zeit. Denn es gibt wirklich wichtigeres und besseres. Zum Beispiel auf einer Almwiese in der Sonne liegen und Goethe lesen. Oder noch besser und wichtiger: schlafen. Die Beschäfigung mit Rousseau und Wagner wäre nicht zu verachten, vielleicht sogar notwendig. Aber bekanntlich gibt es ja kein richtiges Leben im Falschen und wie das nunmal im Falschen so ist, wird man bald mehr, bald weniger von ihm eingeholt, ich nun jedenfalls in einem Maße, das mich dazu zwingt auch die vordringlichsten Aufgaben brach liegen lassen zu müssen. Der Traum einer Karriere als Bergsteiger schon frühzeitig auf Eis gelegt, werde ich nun also auch den einer Karriere als Bergsteiger-Publizist (vorerst) in der Abraumhalde der Notwendigkeiten unter dem Schutt der Arbeit begraben müssen. Denn durch eine mehr als vollzeitige Lohnarbeit in einer der Elendsbranchen des Alpenraums werde ich entgegen meiner Pläne und Ankündigungen vorerst keine Zeit haben für vieles von dem, was ich mir vorgenommen hatte, v.a. nicht für die intensivere Beschäftigung mit Rousseau und Wagner. Dazu kommt, dass auch ich meine Arbeitskraft reproduzieren muss bzw. will und gleichzeitig Sommer wird, ich also selber öfters in den Bergen unterwegs sein werde. Sicher wird es mir dadurch möglich sein, wieder vermehrt und vor Ort die Blüten zu dokumentieren, die Tourismus, speziell Alpinismus oder allgemeiner gefasst die menschliche Sehnsucht nach Natur (und die, durch Naturbeherrschung dem Naturzwang zu entfliehen) so treiben. Es ist also durchaus möglich, dass es hier ab und zu mal noch erwähnenswerte Neuigkeiten oder Kommentare zu Werbung, Fotos, Berichten oder ähnliches gibt. Zu den eigentlich notwendigen, umfassenderen inhaltlichen Texten wird es aber (erstmal) nicht kommen – geahnt hat man dies vielleicht schon in Anbetracht des Fehlens von Beiträgen über die letzten Wochen.
Mit Martin Scharfe kann ich für mich tröstend festhalten, »den wahren Meister erkennt man an Tempo und Eleganz des Abstieges« (1) und in Analogie zu, oder besser: Verkehrung eines Titels von Blogger-Kollegin Natascha Knecht (über Eisketter-Profi Ines Papert): „am Herd geendet statt im Eis hängend“.
Die aktuellen Ereignisse aus der Welt des Bergsports nehmen sich bei solcher falscher Tragik fast als Randnotizen aus: Ein 19-jähriger Erlanger hat als erster eine Route im Grad 9a onsight geklettert. Die Steigerung der Grade im Sportklettern ist also (noch) nicht ins Stocken geraten und verhält sich ähnlich wie die Steigerung der menschlichen Leistungsfähigkeit in anderen Sportarten (eine vielleicht interessante Spekulation wäre es, inwieweit sie noch weiter steigerungsfähig ist, und sich insofern eventuell durch physiologische bzw. physikalische Bedingungen von anderen Sportarten unterscheidet).
Außerdem wurde der Piolet d’Or erstmals an alle Nominierten verliehen und die lebende Legende Kurt Diemberger für sein Lebenswerk geehrt.
Daran wird meiner Meinung nach sichtbar, dass es im Bergsport immer schwieriger wird, wirklich herausragende Leistungen zu vollbringen und zu bestimmen. Umso wichiger wird dafür scheinbar der 2009 ins Leben gerufene Preis für das Lebenswerk, also für jene, die dauerhaft herausragende oder große Leistungen vollbracht haben – ein Indiz für die in einem früheren Artikel bereits von mir angesprochene Problematik des Aufsuchen und Überwindens neuer Grenzen im Reich des Bergsports.
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In diesem Sinne und in alter Bergarbeiter-Tradition: “Glück auf” statt “Berg Heil”!
(1) Panorama 2/2013 (S. 86): Farbige Schätze – Bildergeschichte des Alpinismus. Von Christine Frühholz und Martin Scharfe.