Everest – Ereignisreicher Saisonstart

Ende diesen Monats jährt sich die Erstbesteigung des Mount Everest zum 60. Mal und es zeichnet sich ab, dass nach dem katastrophalen letzen Jahr wieder eine ereignisreiche Everest-Saison begonnen hat. Bereits der Feiertag 8. Mai war ein kleiner Jahrestag – der 35. der ersten Besteigung des Everest ohne künstlichen Sauerstoff durch Peter Habeler und Reinhold Messner. Hier gibt es ein sehr lesenswertes Interview mit Habeler sowie dem damaligen Expeditionsleiter Wolfgang Nairz. Drei Tage später stand damals außerdem Reinhard Karl als erster Deutscher Bundesbürger, zusammen mit Oswald Oelz auf dem Everest – zwei der faszinierendesten Bergsteiger-Persönlichkeiten, wie etwa auch auf dem blog Abenteuer Sport zu lesen ist. (1)

Steck und Moro am Everest angegriffenUeli Steck

Es ist nun schon einige Tage her, dass Ueli Steck und Simone Moro am Mount Everest von einer Menge aufgebrachter Sherpas angegriffen wurden, nachdem sie Eischlag ausgelöst haben sollen, während sie einige beim Verlegen von Fixseilen tätige Sherpas überholt hatten.

In einem Interview mit dem SPIEGEL schilder Steck die Situation so:

“Uns wurde vorgeworfen, einen Eisschlag ausgelöst zu haben, ein Sherpa soll dadurch verletzt worden sein”, sagt Steck. “Das ist Quatsch, wir haben keinen Zentimeter Eis losgetreten.”

Zurück im Basislager kam es dann zum Eklat:

“Als ich aus dem Zelt trat, kamen ungefähr hundert Sherpas auf mich zu. Einige hatten ihr Gesicht mit Schals vermummt, andere trugen Steine in den Händen”, sagt Steck. “Angeführt wurden sie von dem Sherpa, mit dem wir uns oben gestritten hatten. Bevor ich etwas sagen konnte, landete seine Faust mit voller Wucht auf meiner Nase. Ich ging zu Boden, dann bekam ich einen Stein ins Gesicht. Sie wollten mich töten, jedenfalls riefen sie das immer wieder.”

Den ganzen Disput in allen Details zu schildern, möchte ich mir hier ersparen, zumal man sich wohl am besten durch einige unterschiedliche Quellen und Berichte ein eigenes Bild der Vorfälle macht. Während nun die Mehrheit der in der Medienlandschaft kursierenden Äußerungen, Berichte und Kommentaren einen verurteilenden bis ausfälligen Ton zumindest gegenüber Ueli Steck verlauten lässt, wird in diversen szene-internen Medien bzw. Internet-Seiten vielem von dem zugestimmt, was sie über die Sherpas geäußert haben. Diese gierigen Bergführer hätten ihre Stellung als aufstrebende gesellschaftliche Macht demonstrieren wollen. Offenbar steuert man am Everest also auf einen kleinen “Clash of cultures” zu.

In einem nicht veröffentlichten Kommentar auf dem von mir eigentlich ob seiner Kontroversen sehr geschätzten outdoor-blog des tagesanzeigers, wo gefragt wurde, warum Spitzen-Alpinisten in der Schweiz nicht als Volkshelden gälten, schrieb ich zum Thema Steck:

»Warum sollten Bergsteiger denn überhaupt Volkshelden sein?? Nur weil sie das in anderen Ländern sind, heißt das doch lange noch nicht, dass das so richtig und vernünftig ist. Im Gegenteil: Vieles am Alpinismus ist einfach immer noch Mythos und Sie fordern eine Mystifizierung der Berge, vermittelt über die Glorifizierung der Bergsteiger. Dabei könnte es doch einfach sein, dass man in der Schweiz genauso wie in den anderen Alpenländern, d.h. v.a. den Bergregionen, schon immer einen ganz anderen Blick auf die Berge hat, eben einen bodenständigeren. Zu Beginn des Alpinismus waren es noch die Bewohner der Berge, die an Gespenster, Drachen und ähnliche Mythen glaubten. Es mussten erst gebildete, wohlhabende und gelangweilte Bürger von außerhalb, v.a. aus Großbritannien kommen, um die Berge nicht nur zu erobern, sondern sie gleich auch von ihren Mythen zu befreien. Scheinbar hat sich dieses Verhältnis nun umgedreht. In den Alpen selbst blickt man gelassener, rationaler und mit mehr Bodenhaftung auf die Berge und ihre ErobererInnen. Dass BergsteigerInnen woanders Volks- bzw. Nationalhelden sind, hängt eben auch mit der Geschichte dieser Nationen zusammen.

Wenn wahr ist, wie Steck diese Ereignisse beschrieben hat, dann ist schon nachvollziehbar, dass er erstmal eine Auszeit nimmt, gleichwohl er – wie im Text ja auch beschrieben – zum Shitstorm selbst genügend beigetragen hat.
Dass allerdings Bergsteiger nicht per se Helden sind und v.a. auch einfach einen charakterlich mangelhaft sein können, dürfte auf der Hand liegen. Alles andere stammt aus dem Reich der Legenden und gehört wieder dahin verbannt. Und die Geschichte bzw. bereits die frühesten Geschichten des Alpinismus geben darüber zur Genüge Auskunft, von Whymper über die Rivalen und Neider von Bonatti und Messner und wie sie alle heißen. Sie sind einfach trotzdem noch Menschen, wenngleich sie außergewöhnliche Leistungen vollbringen – SpitzensportlerInnen eben.
Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass Sie genau wie viele andere Menschen auch, einfach ein Bedürfnis nach ein wenig Kitt für’s Kollektiv haben, nach Helden, Mythen und Religionen, nach etwas, woran man sich klammern und das man feiern kann, was einen beschäftigt und zerstreut und ablenkt vom alltäglichen Leben, das – nehmen wir doch kein Blatt vor den Mund – nur schwer erträglich ist, wenn man einigermaßen bei Verstand ist. Das Bedürfnis nach Volkshelden zeigt einiges über die Verfasstheit der Gesellschaft, und d.h. auch über deren ökonomische Irrationalität und archaische Triebstruktur.«

Ueli Steck hat nach einer stürmischen Abreise aus dem Basislager nun angekündigt, eine “Auszeit” nehmen zu wollen.

Alexey Bolotov tödlich verunglückt

Unterdessen ist am Everest der zweimalige Piolet d’Or-Preisträger Alexey Bolotov bei einem Versuch, zusammen mit Denis Urubko eine neue Route in der Südwest-Wand des Everst zu begehen, tödlich abgestürzt.

Ueli Stecks Seilpartner Simone Moro wolle eigenen Auskünften zufolge, weiter am Everst bleiben und dort Rettungsflüge mit dem Helikopter durchführen und dabei u.a. auch die sterblichen Überreste von Bolotov bergen und zu dessen Familie rück-überführen.

Mittlerweile haben bereits die ersten 75 AlpinistInnen den Gipfel des Everest erreicht, die kommenden Tage dürften noch hunderte folgen…

(1) Reinhard Karl verunglückte am 19. Mai tödlich am Cho Oyu. Auf seine weittragenden Aussagen über das Bergsteigen hatte ich bereits in einem meiner letzten Beiträge hingewiesen.

4 thoughts on “Everest – Ereignisreicher Saisonstart

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