Bereits über 600 Leute haben diese Saison den Gipfel des Everest erreicht, das könnte in dieser Hinsicht ein Rekord sein. Der lag bisher bei 633 im Jahr 2007. Die Zahlen (von Alan Arnette) sind aber bisher nicht genau bestätigt. Bisher sind jedenfalls 8 Todesfälle bestätigt.
Unter den Erfolgreichen war mit Yuichiro Miura auch erstmals ein 80jähriger. Sein Konkurrent im Wettrennen um den Altersrekord, der 81-jährige und bisherige Rekordhalter Bahadur Sherchan folgt ihm dabei aber sozusagen auf dem Fuß, da er sich wohl auch auf dem Weg zum Gipfel befindet.
Hinweisen möchte ich an dieser Stelle auf eine sehr spannende Diskussion, die gestern in der Talk-Show “Hangar 7” auf servus tv geführt wurde. Dort diskutierten die beiden frühen Everest-Besteiger Peter Habeler und Wolfgang Nairz, auf die ich beide schon in einem meiner letzten Artikel hinwies, Benedikt Böhm (Speedbergsteiger und Unternehmer), Kurt Luger (Tourismus-Experte) und Andreas Marlovits (Sportpsychologe) sowie Reinhold Messner (direkt aus dem Everest-Basecamp zugeschaltet) die Geschehnisse und Verhältnisse am “Everest für alle – ist der Gipfel erreicht?”. Die Diskussion war zwar nicht besonders kontrovers, weil eigentlich alle Diskutanten dem Everest-Ansturm skeptisch gegenüberstehen, sie wurde aber auf sehr hohem und vernünftigen Niveau geführt und war sehr erkenntnisreich. Wie zu erwarten war, hat Messner wieder seine Trennung zwischen Alpinismus und Tourismus, die es strikt auseinander zu halten gälte, vertreten. Er kritisierte die heutige Form des Tourismus, die sich am Everest im “Klettersteig” bzw. der “Piste” ausdrücke und sagte, »es scheint dass der Everest jetzt den zahlenden Touristen gehört und nicht mehr den Freaks, den Extrem-Bergsteigern…«
Dabei wurde aber auch Messners Mit-Verantwortung als Pionier des Alpinismus am Everest zur Sprache gebracht und das Thema Verantwortung im allgemeinen diskutiert. Diese werde beim “Pisten-Alpinismus” laut Messner an die Expeditions-Veranstalter und die Sherpas abgegeben. Das sei etwas ganz anderes als Alpinismus.
»Wir sollten […] eher von Tourismus sprechen und touristische Problematiken erörtern, als alpinistische. Denn der Tourismus führt Menschen in einen relativ sicheren Raum und gibt ihnen eine Möglichkeit in eine großartige Welt hineinzugehen. Der Alpinismus aber geht dorthin, wo der Mensch im Grunde nicht hingehört….«
Er erwähnte u.a. auch, dass das Basislager – obwohl viel größer als früher – sehr sauber sei, man also aus den Verschmutzungsproblemen gelernt habe.
Der eigentlich von mir sehr geschätzte Peter Habeler erwähnte etwas sehr bemerkenswertes, als er von der Freude sprach, die die meisten Bergsteiger_innen von Grund auf in sich trügen und teilten und die eigentlicher Antrieb wäre, in die Berge zu gehen. Diese fehle bei den Everest-Tourist_innen. Außerdem meinte er, der Berg vertrage nicht so viele Menschen, ganz als ob jener ein Lebewesen mit Geist und Seele wäre. Später leistete er es sich noch einen sprachlichen Griff ins Klo, nämlich als er bezüglich der Menschen, die seiner Meinung nach nicht an den Everest gehörten, von einem Krebsgeschwür sprach.
Thematisiert wurde auch noch der Todesfall von Eberhard Scharf letztes Jahr, der umkam, als er wegen eines Staus über Stunden in der Todeszone verharren musste. Messner wies darauf hin, dass man von Veranstalter-Seite auch daraus gelernt habe und dieses Jahr die Koordination verbessert und Staus dadurch vermieden wurden. Man kam dann auch noch auf die Selbstüberschätzung der Aspirant_innen, das Thema Risiko, Angst, sowie die frühen, teils legendären Besteigungen ohne Flaschen-Sauerstoff zu sprechen.
Ein interessanter Aspekt, der später in der Diskussion vom Psychologen Andreas Marlovits angesprochen wurde, war, dass es doch auch sein könne, dass viele Alpinisten sich einfach nur gekränkt fühlten, weil ihre Leistung durch den massenhaften Andrang und v.a. durch außergewöhnliche Rekorde wie etwa dem eines sich auf dem Gipfel entblößenden Bergsteigers herabgewürdigt werde.
Ich will aber noch nicht alles verraten, denn die wirklich sehens- bzw. hörenswerte Talk-Show gönnt man sich am besten selbst, bei Wein, Eis, Chips oder was auch immer…