IMS 2014 – Immenses Marketing Spektakel #6

Die 6. Ausgabe des innerhalb der letzten Jahre immens gewachsenen Marketing- und Medienspektakels des “International Mountain Summit” ist Anfang dieser Woche in Brixen zu Ende gegangen. Es gab wieder viele spannende Vorträge und Diskussionen. Hervorzuheben ist neben Veranstaltungen zu Doping im Bergsport und der Diskussion um Alpinismus und Publicity in der diesjährigen Ausgabe etwa ein Symposium mit dem Titel “Recht auf Berge”, in dem der Zugang zu den Bergen für Behinderte erörtert wurde.

Berge für alle? Recht auf Berge?

Erziehungswissenschaftler Dr. Sascha Plangger von der Uni Innsbruck sah in diesem Bereich v.a. Probleme bei der Kommunikation mit Behinderten. Viele Außenstehende würden Betroffenen vor allem mit Mitleid begegnen. Außerdem werde in den Medien sehr oft sensationslustig über Behinderte berichtet, die in den Bergen unterwegs sind. Dabei habe diese Darstellung nichts mit der Realität zu tun. Wichtig sei es stattdessen vor allem, den Einzelnen zu unterstützen und in seiner Freiheit und Teilhabe zu fördern.

Die in der Podiumsdiskussion aufgekommene Frage an Martin Telser, ob es von Seiten der Behindertenverbände eine Forderung oder den Wunsch nach einem Recht auf Zugänglichkeit der Berge für alle gibt, stellte sich für diesen gar nicht erst. Für Telser gibt es das Grundrecht auf Zugänglichkeit schon, nämlich als gesetzlich verankertes und als nur noch durch technische Verbesserungen zu erfüllendes. Das Potential für Verbesserungen sah er allerdings als vorhanden an. Auch der geladene Vertreter der Landesregierung meint, der “status quo” wäre diesbezgl. noch zu erreichen. Das Fazit: es sollte keine Scheu davor geben, auch als Behinderter in und auf die Berge zu gehen oder einen Anspruch darauf geltend zu machen. Außerdem solle man sich daran orientieren, wo entweder möglichst weitgehende freie Zugänglichkeit der Berge oder entsprechende Alternativen vorhanden seien.

IMS 2014 Kongress "Berge für alle"

IMS 2014 Kongress “Berge für alle” © Jürgen Kössler

Die Dachmarke Südtirol wirbt nicht explizit um Behinderte als Zielgruppe, da dies nicht notwendig sei. Ziel müsse eher sein, dass Interessierte bei ihrer Recherche, wie es der Marketing-Vertreter nannte: “Suchmaschinen-technisch” leichter auf Südtirol stoßen.

Wie ehrlich ist der Bergsport? Symposium zu Doping und Medikamentenmissbrauch

In der IMS Pressemitteilung hieß es hierzu:

“Neben den medizinischen Kenntnissen wurden auch sozialpsychologische Aspekte diskutiert. Der Leiter der Fachstelle Forum Prävention Peter Koler sieht im Sportverhalten der Gesellschaft vor allem den Wandel hin zu einer Athletisierung des Körpers. Der Körper werde heute als formbar angesehen. Das würden sich auch Werbung und Pharmakonzerne immer häufiger zu nutzen machen, indem sie suggerieren, dass man durch die Einnahme von leistungsfördernden Substanzen ganz einfach und risikofrei zum “Helden” werden kann. Koler stellt außerdem fest, dass die Grenzen zwischen legal und illegal zunehmend verschwimmen. Ein “Dopen” des Körpers werde gesellschaftlich und juristisch nicht akzeptiert, ein “Formen” des Körpers dagegen schon, selbst wenn im Formprozess versteckte Dopingmittel beinhaltet sind.”

Erkenntnisreich war auch der Beitrag von Ex-Radprofi Jörg Jaksche. Er legte den Fokus auf die hinter dem Doping stehende Systematik. In seinem Sport wurde bzw. wird systematisch Druck auf die Athleten ausgeübt und betrügerisches Handeln intern beschwiegen, beschönigt oder gar unterstützt. Jaksche hatte in seiner aktiven Zeit selbst gedopt und wurde dadurch Teil des Dopingskandals um Eufemiano Fuentes im Jahr 2006. Er gestand das Doping und sagte in einem Prozess aus, kam danach allerdings nicht mehr in den Radsport zurück. Wichtig sei es seiner Meinung nach vor allem, über den Tellerrand hinauszuschauen und den Blick auf die systematischen Eigenheiten der jeweiligen Sportart zu richten, um die entsprechenden Abhängigkeitsverhältnisse zu benennen und die Bedingungen, die systematisches Dopen ermöglichen, zu verändern.

Die abschließende Diskussion über Doping wurde zwar einerseits durch das Statement belebt, dass man sich nicht mehr damit beschäftigen und keine Zeit mehr mit überflüssigen Diskussionen über Doping verlieren sollte. Man solle zwar die (Berg-)SportlerInnen besser über die Folgen des Dopings aufklären. Aber am Ende machten diese ja ohnehin was sie wollen. Der Fokus sollte eher darauf liegen, dass mehr Leute Sport machen, denn dann hätte man viel weniger Probleme auf der Welt, wie auch immer die Menschen das dann ausfüllen und diesen Sport ausführten. Aha. Wenn alle mehr Sport machen, wird alles besser.

Dennoch war sich das Podium weitgehend einig , dass man Doping nicht im Leistungs- und Wettkampfsport zulassen darf und dass ansonsten, in allen anderen Bereichen jeder machen kann was er will und jeder für sein handeln selbst verantwortlich ist. Was auch und vielleicht mehr noch im Alpinismus gelte, zumal man dort ja ohnehin kein Doping kontrollieren kann.

Optimist, Pessimist, Realist? “Opportunist” Mark Inglis

Mit ungeheuerlichen Bilder und Schilderungen brachte der Mark Inglis das Publikum zum Entsetzen, zum Staunen und zum Lachen.

Der Bergsteiger aus Neuseeland wurde bei einer Bergtour auf den Mount Cook, dem höchsten Berg Neuseelands, von einem Sturm überrascht. Fast zwei Wochen saßen ein Kollege und er in einer Eishöhle fest. Inglis verlor daraufhin beiden Beine, verfolgt seine Leidenschaft jetzt aber mit Beinprothesen weiter. “Mein Sport hat sich nicht verändert”, sagt er rückblickend. 19 Jahre nach dem ersten Aufstieg kehrte Mark Inglis zurück zum Mount Cook und schafft den Aufstieg.

Doch damit nicht genug: Er will höher rauf, baut sich fortan seine Prothesen selbst aus Carbonfasern. Heute sagt er: “Ich habe durch meine Prothesen eine Chance und Herausforderung erhalten, keine Behinderung”. Einen Vorteil habe die Sache schließlich auch: Nachdem ihm beim Abstieg plötzlich die Beinprothese bricht, schraubt er das Bein innerhalb von sechs Stunden wieder zusammen. “Wer kann das schon bei seinem gebrochenen Bein behaupten”.

…lautete das Fazit der IMS Medienabteilung.

Hervé Barmasse, Mark Inglis, Peter Habeler beim "Walk day" auf dem Skiberg Plose

Hervé Barmasse, Mark Inglis, Peter Habeler beim “Walk day” auf dem Skiberg Plose

Extremsport und Willenskraft

Der Diskussionsabend zum Extremsport war wie schon letztes Jahr extrem inspirierend.

Die Veranstaltung mit dem seltsamen Titel “Mountain Xtreme” stand ganz im Zeichen des Jahresthemas des Gipfels: Willenskraft. Dabei diskutierten drei ExtremsportlerInnen Steph Davis, Warren Verboom und Sebastian Steudtner mit drei Außenstehenden: einem Psychologen (Thomas Fuchs), einem Journalisten, einem Ex-Skiprofi/Eventmanager (Nico Zacek).

Die Teilnehmer_innen von Seiten des Sports übertrafen sich geradezu in ihrer Extremheit. Da war etwa die äußerlich eher zierliche, aber innerlich mit dem Charakter und der Leidensfähigkeit eines Nashorns gesegnete Steph Davis, die basejumpende Klettererin, deren mit schweren Rückschlägen gespicktes Leben wohl niemand sonst hätte führen können und wollen. Sie berichtete äußerst offenherzig und teils sehr emotional von einigen dieser Rückschlägen, wie sie diese bewältigte da sie in ihrem Sport einen Halt hatte und durch ihn beständig Lebensfreude gewann. Sie beschrieb auch mentale Aspekte ihres Sports, etwa die Situation vor einem Sprung: “You try to separate intensity from fear.”

Dann war Warren Verboom als Vertreter einer relativ neuen und für unbedarfte sehr ungewöhnlich wirkenden Sportart – dem Canyoning – anwesend. Dabei geht es darum, möglichst extrem Wasserfälle hinunterzuspringen. Verboom wirkte sehr schüchtern, teilweise sogar etwas verstört und nicht wie jemand, der so abgefahrene Sachen macht. Aber das lag vielleicht am Lampenfieber.

Der Big-Wave-Surfer Steudtner beeindruckte sowohl mit Bildern als auch mit seinen Ausführungen über seinen Sport. Auch er hat mit Ehrgeiz und Willenskraft große sportliche Ziele auch gegen Widerstände erreicht. Gleichwohl inhaltlich nicht viel mehr dabei rumkam, als dass er seinen Sport mache, weil es seine Leidenschaft sei. Teilweise kam der Eindruck auf, als bereiteten sich alle schon auf eine zukünftige Manager-Coaching-Tätigkeit vor. Steudtner führte aus, das willentlich ausgeführte, konsequente Abrufen von “Performance” sei auch für Unternehmen eine interessante Fähigkeit. Wille zum Abenteuer sei zusammen mit Leidenschaft der Antrieb und diese beiden key-elements des Extrem- bzw Abenteuersports.

Dann kamen die Außenstehenden mit ihren Ansichten ins Spiel, wobei hier lediglich die des Psychologen Fuchs erwähnenswert ist, da dieser die Rolle einnehmen sollte, die Motive der ExtremsportlerInnen zu hinterfragen – eine Aufgabe, der er nicht gewachsen war. Fuchs beließ es neben Gemeinplätzen bei Aussagen wie der, dass Risikobereitschaft genetisch bedingt sei. Das Problem, dass sich nach einem erreichten (alpinistischen) Ziel keine Zufriedenheit einstellt, erkannte er zwar, aber brachte seine Ursache auf die Formel runter: “Das Dopamin will mehr”. Damit hat er sich für diese Diskussion disqualifiziert. Immerhin fiel ihm tatsächlich auf, dass in “Leidenschaft” das Schaffen von Leiden drinne steckt, dass bei den Exponenten des Extremsports also eine hohe Leidenstoleranz bzw. ein Bedüfnis danach vorhanden sein müsse. Wahnsinn!

Wieviel Öffentlichkeit verträgt der Berg?

In einer geschlossenen Veranstaltung mit aktuellen und früheren Größen des Alpinismus sowie VertreterInnen der Medienwelt wurden auf Schloss Sigmundskron Fragen wie die Folgenden diskutiert: Ist die Veröffentlichung alpinistischer Taten eine Befreiung vom Provinziellen oder ein oberflächlich gehaltener Starkult? Welche Freiheiten und welche Sachzwänge bewegen Bergsteiger dazu, ihr Tun zu publizieren? Welche Öffentlichkeit interessiert sich für welche Bergsteiger? Hat der Profi-Bergsteiger als Werbeträger ein anderes Publikum als der bergsteigende Buchautor oder der Profi-Bergführer? In diesem Zusammenspiel wurde auch die Frage nach der Verantwortung der Journalisten thematisiert. Reinhold Messner, Gastgeber und wutentbrannter Teilnehmer der Diskussion sprach in deren Zusammenhang von „der wichtigsten und hochkarätigst besetzten Diskussion der letzten 10 Jahre“. Hierzu folgt sicher bald ein weiterer Bericht an dieser Stelle.

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